Langzeitreisen Sabbatical

Coming home und der Reverse Culture Shock

Reverse Culture Shock
Miriam bericht über das Heimkommen
geschrieben von Miriam

Reverse Culture Shock – Ein Gastbeitrag vom Miriam A.

Nach einem längeren Auslandsaufenthalt nach Hause kommen. Klingt wie das einfachste und normalste auf der Welt. Schließlich kommt man nach Hause, in die vertrauten vier Wände zu den vertrauten Menschen, Gerüchen, Speisen, Gesprächen und Umgebungen. Doch warum fühlt es sich so schwierig an? Und warum geht es so vielen Menschen so, dass sie sich erstmal fremd fühlen in der eigenen Heimat?

Meine persönlichen Erfahrungen mit dem Reverse Culture Shock

Reverse Culture Shock

Miriam in Ecuador

Genau diese Frage hat mich auch nach meiner letzten Rückkehr aus dem Ausland beschäftigt. Nach zwei Auslandssemestern in zwei verschiedenen Ländern kam ich zurück nach Deutschland. Mich erwartete hier nur noch meine Bachelorarbeit und dann sollte ich mein Studium beenden. Doch dieser Prozess gestaltete sich schwieriger als ich gedacht hatte. Ich fühlte mich fremd, irgendwie allein und völlig überfordert mit dem Uni-Alltag. Irgendetwas beschäftigte mich und ich konnte noch nicht einmal genau sagen, was mit mir los war. Viele meiner StudienkollegInnen, die ebenfalls alle ein Jahr im Ausland waren, hatten ähnliche Probleme und alle schienen etwas neben der Spur zu sein. Und da ich nach Antworten und Erklärungen gesucht habe und dieses Thema spannend fand, verband ich dieses Interesse mit meiner Bachelorarbeit und widmete mich in der Thesis genau dieser Fragestellung. Erstaunlicherweise fand ich sehr viele Erfahrungsberichte, Geschichten und Literatur zu diesem Thema und es scheint keineswegs ein neues Phänomen oder ein Einzelfall zu sein. Ich fand zu diesem Thema viel Literatur in Bezug auf Expatriates. Dies sind Mitarbeiter eines Unternehmens, die für einen bestimmten Zeitraum im Ausland arbeiten und dann wieder in die Heimat zurückkehren. Für meine Forschung suchte ich mir allerdings Sabbaticalnehmer als Zielgruppe, da in diesem Bereich die Rückkehr bisher kaum Betrachtung fand, die Erfahrungsberichte allerdings nicht weniger spannend sind. Dieses Phänomen der Wiederanpassung wird auch Reverse Culture Shock genannt und stellt das Gegenstück zum normalen Kulturschock dar, den man oftmals im Ausland erlebt.

Was sind Reverse Culture Shock und Culture Shock?

Um den Reverse Culture Shock zu verstehen, muss man zunächst den klassischen Kulturschock betrachten. Wer schon einmal über einen längeren Zeitraum im Ausland war, kennt ihn sicher und hat ihn schon selbst erlebt. Es gibt Phasen, in denen man sich unwohl fühlt, alles komisch findet und einfach nur nach Hause will. Die Probleme, die mit der interkulturellen Anpassung einhergehen sind oftmals durch die Angst herbeigeführt, alle vertrauten Zeichen und Symbole der sozialen Kommunikation zu verlieren. Die Alltäglichkeiten sind es, die unsere kulturelle Identität ausmachen. Der Kulturschock wird auch als Lernerfahrung und natürliche Erscheinung im Prozess der Anpassung an eine Kultur, die anders ist als die eigene, beschrieben. Dabei kann es zu Emotionen führen wie intensives Unwohlsein, Verbitterung, Ärger, Feindseligkeit, Heimweh und teilweise sogar zu physischen Symptomen. Ausgelöst wird dies nicht von einem bestimmten Erlebnis, sondern ist viel mehr das Ergebnis der Verarbeitung der gesamten neuen Situation. Interessanterweise wurde untersucht, dass niemand, der über einen längeren Zeitraum im Ausland lebt oder arbeitet vom Kulturschock verschont bleibt. Die Intensität, die Dauer und die Art der Symptome sind dabei aber von Person zu Person unterschiedlich.

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Der Reverse Culture Shock ist dem Kulturschock sehr ähnlich, so geht es bei ihm auch um die (Wieder-)Anpassung an die kulturellen Gegebenheiten, fokussiert aber die Schwierigkeiten und Herausforderungen bei der Wiedereingliederung und Anpassung an die eigene Kultur, nachdem man eine Weile in einer anderen Kultur gelebt hat, wie beispielsweise nach einem Sabbatical oder in meinem Fall nach einem Auslandssemester und einem Auslandspraktikum.

Warum ist der Reverse Culture Shock größer als der Culture Shock?

Tatsächlich ist der Reverse Culture Shock sogar in seiner Ausprägung noch stärker als der Culture Shock, den man während des Auslandsaufenthalts verspürt. Aber wieso ist das so? Was macht die Rückkehr in die vertraute Heimat so schwierig?
Bei meiner Recherche sind mir mehrere Sachen aufgefallen. Der größte Unterschied zwischen dem Kulturschock und seinem Gegenpart, dem Reverse Culture Shock ist die Erwartung des Rückkehrers. Während die Umstellung auf eine fremde Kultur oft mit Anpassungsschwierigkeiten in Verbindung gebracht wird und man einige Schwierigkeiten erwartet, geht man bei der Rückreise in die Heimat davon aus, als unveränderte Person in die unveränderte Heimat zurückzukommen. Jedoch haben sich, entgegen der Erwartungen, nicht nur die Heimat und die Leute in ihr verändert, sondern auch man selbst hat sich weiterentwickelt und vielleicht neue Interessen, neue Freunde und neue Eigenschaften aus dem Ausland mitgebracht. Es kommt zu einer Art Heimweh nach dem bereisten Land, den neugewonnenen Freunden und Gewohnheiten. Diese konfuse Situation, sich in der eigenen Heimat als Fremder zu fühlen, ist verwirrend, frustrierend und oft nicht eindeutig identifizierbar. Die Symptome, die beim Reverse Culture Shock auftreten können sind sehr vielseitig und stark von der Person, den sozialen, familiären und beruflichen Umständen abhängig und darüber hinaus auch von der Dauer des Auslandsaufenthalts. Einige Beispiele, die in dieser Situation vorkommen können sind: Die eigenen Werte und Einstellungen werden hinterfragt, man kann sich nicht mehr mit anderen identifizieren und passt nicht richtig rein, es herrscht eine Verwirrtheit über die eigene Rolle, die Identität und die eigenen Gefühle, man zieht sich zurück, distanziert sich und verspürt oftmals Einsamkeit. Diese Phase kann zu einer kleinen Persönlichkeitskrise führen. Jedoch wurde festgestellt, dass die Überwindung dieser Kulturschocks eine persönlichkeitsfördernde Wirkung hat und die erfolgreiche Krisenbewältigung eine wertvolle Gelegenheit zum Wachsen bietet.

Welche Veränderungen gab es nach meiner Heimkehr

Reverse Culture Shock

Miriam in Ecuador

Ähnlich verhielt es sich auch bei mir. Ich musste mich um eine neue Wohnung kümmern, hatte im Ausland neue Freunde kennengelernt, die ich zurücklassen musste, erst in Ecuador und dann nochmal in England. Zurück in Bremen fühlte ich mich allein und unverstanden und wollte zurück. Ich vermisste die Strände Ecuadors und die Mitarbeiter in England. Meine Familie war zwar sehr interessiert und wollte auch gerne Fotos anschauen, aber das Interesse versiegte schneller als meine Erzähl-Lust und so fühlte ich mich noch mehr allein. Hinzu kamen bei mir einige körperliche Beschwerden, die ich nun rückblickend mit dem damaligen Stress verbinden würde. Ich konnte nicht verstehen, warum es mir so ging und wusste nicht, was eigentlich mit mir los war. Ich versuchte also das ganze Thema hinter mir zu lassen und einfach wieder in den Alltag zu steigen. Das machte allerdings alles noch schlimmer.
Einfach so weiterzumachen wie vor der Zeit im Ausland ist also schwierig. Man muss sich erst wieder an alles anpassen und darf diesen Prozess nicht unterschätzen. Am Wichtigsten dabei ist zu verstehen, dass dies ein Anpassungsprozess ist und sich klarzumachen, dass dies völlig normal ist und allen anderen genauso geht.
Ein anderer Tipp, damit umzugehen ist die Zeit im Ausland in Ruhe Revue passieren zu lassen. Darüber sprechen mit anderen, idealerweise mit Leuten, die man im Ausland kennengelernt hat oder solche, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Sie können einen oft besser verstehen, als daheimgebliebene Freunde und Familie. Ich selbst habe auch die Erfahrung gemacht, dass die Freunde in der Heimat sich gern zwei bis drei Geschichten aus dem Ausland anhören, aber dann scheinbar das Interesse verlieren oder es nicht so recht nachempfinden können. Es hilft auch Fotos aus dem Ausland anzuschauen, Tagebuch zu schreiben oder sich Filme, Bücher und Musik aus dem Land zu besorgen. Einfach die Zeit und die Erlebnisse in den Hintergrund zu rücken und nahezu zu verdrängen, tut einem selbst und auf Dauer auch den Mitmenschen nicht gut. Genau wie auch beim Kulturschock ist dieses Auf und Ab von Gefühlen völlig normal und wird mit der Zeit besser werden.

Wie gehe ich mit meinen Reverse Culture Shock um?

Diese Tipps haben auch bei mir geholfen und den ganzen Prozess erleichtert. Ich habe viel mit meinen Freunden, die ebenfalls ein Jahr im Ausland verbracht haben, gesprochen. Andere Freunde von mir suchten sich beispielsweise auch professionelle Hilfe und ich finde es an dieser Stelle wichtig zu sagen, dass darin nichts Schamhaftes oder Peinliches zu finden ist. Es kann sehr gut weiterhelfen, um mit der Situation und anderen Problemen, die durch diese Phase an die Oberfläche getrieben werden, umgehen zu lernen. In meiner Recherche fand ich ebenfalls Erfahrungsberichte, in denen erzählt wurde, dass bei der Rückkehr bereits die nächste Reise geplant wurde, was das Fernweh direkt etwas milderte.
Also einfach Zeit lassen und sich nicht über das Gefühl ärgern oder wundern. Mit der Zeit wird die eigene Heimat wieder vertraut und es passt sich alles wieder an. Dies dauert bei jedem unterschiedlich lang. Und wenn das Fernweh doch zu groß bleibt? Dann plant man einfach seinen nächsten Urlaub.

Miriam A.

 

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Über den Autor

Miriam

Gastautorin Miriam A. hat den Internationaler Studiengang Tourismusmanagement B.A. an der Hochschule Bremen abgeschlossen. Ihre Bachelorarbeit mit dem Titel „Reintegration nach einem Sabbatical im Ausland“ behandelt den Reverse Culture Shock und hat dankenswerterweise einen Gastartikel darübergeschrieben. Miriam möchte mit diesem Artikel Rückkehrer von Langzeitreisen und Sabbaticals mit ihren Erkenntnissen unterstützen.

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